Liebes Krefeld,

2022…bis hierhin haben wir es geschafft und vieles konnte sich selbst und u.a. durch die Hilfe des Kulturbüros und den politisch Verantwortlichen dieser Stadt bewahrt werden. Der Sommer ist vorüber und die Hoffnung, dass es ab jetzt wieder besser wird, ist leider nicht erfüllt worden. Die weltpolitische Lage beschäftigt uns, die notwendigen Kosten steigen und gleichzeitig kämpfen wir mit nach wie vor zu niedrigen Besucherzahlen. Nichts desto trotz: Viele wichtige Verbindungen sind geschaffen worden, und wir sehen viele Chancen und Möglichkeiten für unsere Heimatstadt. Zeit für uns, die Provinzgiganten, ein kleines Resümee zu ziehen und einen Ausblick zu wagen.

Noch immer sehen wir an vielen Stellen Strukturen in Gefahr, die wichtig für ein nachhaltiges und buntes Kulturleben in der Stadt sind. Viele Probleme, die vor Corona bereits bestanden, haben sich durch die Zeit der Pandemie verschärft oder sind noch klarer zum Vorschein getreten. Insbesondere ist die prekäre Aussichtslosigkeit in den Fokus getreten, der Künstler*innen und Kulturschaffende im Alltag begegnen. Die ausreichende Finanzierung von notwendigen Stellen für einen gesund funktionierenden Betrieb sind nicht durch reine Ticketverkäufe zu erzielen. Es braucht ein funktionierendes System von Mittelbeschaffung und Öffentlichkeitsarbeit, das lokale Kulturinstitutionen bei ihrer Arbeit unterstützt und sowohl Formatentwicklung als auch Durchführung von Veranstaltungen ermöglicht. Darüber hinaus bleibt der Publikumszuspruch bei Veranstaltungen an den meisten Stellen noch hinter den Zahlen von vor Corona zurück.

Freie Kulturstätten müssen in die Lage versetzt werden, für Betreibende aber eben auch für Angestellte und gebuchte Menschen adäquate Entlohnung zahlen zu können, um ihrer wichtigen Aufgabe innerhalb des Stadtgeflechts gerecht werden zu können.
Clubs, freie Theater, Kulturzentren etc. müssen mehr und mehr wie traditionelle Kulturstätten behandelt und subventioniert werden und als selbstverständlich in allen Bereichen mitgedacht werden. Neben der Verantwortung die Kultur finanziell zu stützen, ist es wichtig sie z.B. in Stadtplanung und Wirtschaft als wesentlicher Faktor gesamtstädtischer Entwicklung zu berücksichtigen. Aus unserer Arbeit können Visionen und Experimente entstehen, die sich im Stadtraum fortpflanzen, um eine Perspektive für die Innenstadt zu schaffen und den demokratischen und demographischen Kitt in der Gesellschaft wieder zu festigen. Die freien Kulturorte sind wichtiger Bestandteil der Stadtgesellschaft und bieten divers nutzbare Fläche für Austausch und Diskurs.

Die Auseinandersetzung mit der eigenen Situation und insbesondere die #alarmstuferot Kampagne haben deutlich gezeigt, wie wichtig die Kultur- und Veranstaltungslandschaft und darüber hinaus die gesamte Kreativwirtschaft eben auch als Wirtschaftsfaktor sind.

Dabei möchten wir an dieser Stelle betonen, dass der absolute Mehrwert für die künftige Entwicklung des Zentrums darin zu sehen ist, dass eine Stadt, die für Kreativschaffende spannende Anreize und eine dynamische Szene zu bieten hat, vor allen Dingen auch junge Menschen für Krefeld begeistert.

Die freie Kultur- und Kreativwirtschaft in der Stadt kann ein Magnet und Motor für besonders junge Menschen und Familien sein, die für die Entwicklung der Innenstadt enorm wichtig sind. Kultur schafft Lebensqualität und ist neben der Gastronomie auch ein Faktor für neues Wohnen im Zentrum. Wenn es die Stadt nicht schafft, ein lebendiges, buntes und manchmal eben auch lautes Klima in der Innenstadt zu schaffen, das zum Bleiben einlädt und es schafft, Verbindungen zwischen den Bewohner*innen dieser Stadt zu fördern (wie es beispielsweise ein Folklorefest oder das Fest ohne Grenzen tut), sehen wir wenig Chancen, den beständigen Verfall der Innenstadt aufzuhalten.

Ausblick:

Wenn die Stadt es mit Hilfe der freien Szene, deren Akteuren und anderen Initiativen aber schafft, ein Klima der Kooperation, Gepflogenheiten einer konstruktiven Zusammenarbeit sowie ein innovatives, buntes und lebendiges Treiben in Sachen Kunst, Kultur & Kreatives in Krefeld auf die Beine zu stellen, dann profitieren alle davon:

Die Stadtgesellschaft, die Jugend, die Innenstadt, die Akteure selbst.

Und nicht zuletzt hat die Stadt damit auch einen gesellschaftlichen Bildungsauftrag erfüllt und idealtypisch auch neue Anreize für Besuche Externer in Krefeld geschaffen.

Das funktioniert nur im Zusammenspiel. Die existenziellen Gefahren werden abgewendet oder zumindest gemildert. Die Kulturszene agiert mit und nicht ohne die öffentliche Hand. Das kulturelle Angebot der Stadt – auch speziell der Innenstadt – wird breiter und mit Leben gefüllt. “Da ist was los.” statt “Da passiert ja eh nix.”

Dafür braucht die freie Szene Unterstützung – nicht im Sinne einer Stütze oder eines Almosens – sondern vielmehr Unterstützung bei der Professionalisierung der Arbeit, bei der Identifikation von Gemeinsamkeiten, bei der Weiterentwicklung der Stadt.

Aufstocken des städtischen Kulturetats

Vor allem in den nächsten Jahren ist es bedeutend wichtig, dass Investitionen in langfristige Strukturen getätigt und kulturelle Experimente möglich gemacht werden. Dies kann nur geschehen, wenn der städtische Haushalt diesem Bereich mehr Priorität einräumt. Dabei geht es nicht nur um das Budget des Kulturbüros für die freie Szene, sondern um eine Erhöhung des Kulturetats in seiner Gesamtheit. Es muss sichergestellt werden, dass Beteiligte in angemessenem Maße bezahlt werden können. Dies gilt im Besonderen für Künstler*innen, Veranstaltende und technische Dienstleister*innen, im weiteren Sinne aber auch für die direkt angeschlossenen Bereiche der Kreativwirtschaft (Design, Sicherheit, Hygiene etc.).

Kulturfonds

Der Kulturfonds 3.0 ist ein wichtiges Werkzeug der Förderung und sollte er tatsächlich auch in den kommenden Jahren neu aufgelegt werden, clever angelegt. Mit dem Kulturfonds ist es möglich zu verhindern, dass der Kulturetat für die frei Szene – entgegen des eigentlich Sinns – fest gebunden ist und jedes Jahr neu entschieden werden kann, was sinnstiftende und sinnvolle Anträge im Sinne der Ausrichtung des Fonds sind. Wir erkennen die Notwendigkeit der Gegebenheit, sehen nach wie vor aber noch sehr viel Luft nach oben. Der Kulturetat der Stadt ist insgesamt vor der Amtszeit von OB Meyer seit den 90er Jahren stetig eingekürzt worden, insbesondere für die Unterstützung der sogenannten “Dritten”. Wir müssen dringend zurück zu den Zuständen der 90er Jahre, denn das Kulturangebot ist in unseren Augen existentiell für die Lebensqualität in einer Stadt. Ebenso ist der Fonds in seiner dritten Auflage schon um insgesamt 60% geschrumpft, ohne das die Herausforderungen der Szene merklich weniger geworden sind.

Die thematische Flankierung von Seiten des Rates betrachten wir als sehr kritisch. In unseren Augen müssen Kulturinstitutionen der freien Szene, aber vor allen Dingen eben auch Künstler*innen unterstützt werden. Wir erkennen die Schnittstellenposition von Kulturarbeit an und sehen uns auch in Bereichen der Bildung, Innenstadtentwicklung oder bspw. Der Inklusion und Integration, den Fonds aber so starr auszurichten, hat einen schalen Beigeschmack, dass Kunst hier für Aufgaben herhalten soll, die eigentlich in den Händen von Stadtverwaltung und Politik zu sehen sind.
Daher plädieren wir dafür, in den folgenden Jahren auf eine Eingrenzung zu verzichten oder aber gemeinsam Schwerpunkte zu setzen, sowie offene, künstlerische Schwerpunkte zu setzen

Kulturarbeitsstellen

Eine von Anfang an in den Vordergrund gerückte Forderung unsererseits war es, dass Kulturarbeitsstellen geschaffen werden, welche in Form einer “Kulturagentur” die Schwierigkeiten und Belange der freien Szene in den Fokus nimmt. Insbesondere sehen wir Fundraising, Fördergeld Akquise, Öffentlichkeitsarbeit und Netzwerkarbeit als Kernbereiche, die dringend gefüllt werden müssen und die nicht aus eigenen Mitteln geleistet werden können.

Durch ein steigendes Gesamtvolumen von förderfähigen Anträgen, die ans Land NRW oder den Bund gestellt werden, können viele Synergieeffekte erzeugt und gleichzeitig die Attraktivität der Stadt gesteigert werden. Eine bessere Auslastung der Kreativwirtschaft und steigende Fluktuation von Künstler*innen, die in Krefeld arbeiten bedeuten vor allem auch eine direkte Wertschöpfung für den städtischen Haushalt.

Durch eine Verstetigung und Professionalisierung des Austauschs zwischen den verschiedenen Akteuren der Stadt (Kulturszene, Gastronomie, Handel, Politik….) und insbesondere auch in den städtischen Institutionen selbst, kann aus einer Verhinderungskultur ein Prozess der solidarischen Zusammenarbeit einsetzen, um die gemeinsame Heimat nach vorne zu bringen. Das Inseldenken und -handeln muss aufgebrochen werden und Platz machen für eine gemeinsame zukunftsfähige Vision für die Entwicklung unserer Heimatstadt.

Darüber hinaus ist es neben der sehr guten Arbeit des Stadtmarketings wichtig, das Bild der Stadt in der öffentlichen Wahrnehmung gerade zu rücken und aufzupolieren. Dies gilt zum einen über die Stadtgrenzen hinaus. Vor allen Dingen muss aber den Krefelder*innen selbst erst wieder gezeigt werden, was ihre Stadt für Perlen zu bieten hat.

Mitunterzeichnende Einzelpersonen:

Oliver Griethe, Musiker
Till Menzer, Musiker, Kulturschaffender
Sanchez Schwedler, Musiker
Maximilian Kotzmann, Musiker & Produzent
Petra Krieger, Musikerin & Kulturschaffende
Philip Lethen, Musiker & Kulturschaffender
Malte Menzer, Tontechniker, Kulturschaffender & Musiker
Waldo Karpenkiel, Musiker & Stil-Ikone
Lena Watzlawik, Booking & Promotion
Hans-Georg “Hagel” Leven, Musiker
Klaus Schwedt, Musiker & Tontechniker
Joachim “Joe” Froebe, Musiker
Peter Schueren, Musiker
Martin Engelien, Musiker, Produzent & Promoter
Nicolai Krahwinkel, Musiker & Grafik-Designer
Kolja Amend, Kulturschaffender
Peter Gronsfeld, Kulturschaffender
Johannes Floehr, Autor, Moderator & Kulturschaffender
Piet Fischer, Musiker & Textgestalter

Mitunterzeichnende Institutionen:


Schlachtbar Krefeld
AKKU n.e.V.
Sputnic Visual Arts
KOTZMANN
Jeck United
SMOT
Dear Wolf
Die Krähen – Krefeld e.V.

Kulturdigital.eu
wirstadt.org
Cafe Südlicht
Theater Blaues Haus